Geistiges Schutzrecht an Online-Presseartikeln? neuer Gesetzesentwurf lässt vieles im Dunkeln

Ende August 2012 hat das Bundeskabinett nach intensiven Kontroversen zwischen verschiedenen Interessengruppen einen neuen Gesetzesentwurf über ein eigenes Leistungsschutzrecht für Presseverlage vorgelegt. Das geplante Gesetz soll den zukünftigen Rechtsrahmen für die Nutzung von Online-Presseinhalten, wie z.B. Blog-Inhalte und News-Dienste, abstecken. Der ursprüngliche Gesetzesentwurf ging sehr weit und hätte eine Lizenzierungspflicht für jeden bedeutet, der zu beruflichen oder gewerblichen Zwecken kleinere Teile oder sog. Snippets aus Online-Presseartikeln oder Überschriften für seine Website, seinen Blog oder via Facebook oder Twitter verwendet. Dies hätte zahlreiche Social Media Aktivitäten nahezu unmöglich gemacht. Der neue Entwurf ist nun etwas eingeschränkt worden, wird aber nach wie vor für einige Formen der News-Aufbereitung relevant sein.

Worum geht es genau?
Der neue Gesetzesentwurf sieht vor, dass Presseverlegern für die Dauer eines Jahres ein ausschließliches Schutzrecht an Presseerzeugnissen zusteht, welches es ihnen erlaubt, die gewerbliche oder berufliche Online-Nutzung von Presseerzeugnissen, soweit dies über Suchmaschinen oder Dienste geschieht, die Inhalte in entsprechender Weise automatisiert aufbereiten, zu untersagen, bzw. von einer Lizenzierung abhängig zu machen.

Unter den Begriff der "Presseerzeugnisse" fallen zum einen klassische Zeitungsformate oder redaktionell erstellte Nachrichten, zum anderen aber auch alle Formen der redaktionellen Festlegung journalistischer Beiträge im Rahmen einer unter einem Titel periodisch veröffentlichten Sammlung. Neben Online-Magazinen wie z.B. Spiegel.de ist auch ein Weblog, das regelmäßig unter seinem Namen journalistische Beiträge zusammenstellt und veröffentlicht, ein Presseerzeugnis im Sinne dieses Gesetzes. Um diese Medieninhalte geht es also.

Und welche genauen Handlungen werden vom Gesetzesentwurf erfasst? Das neue Leistungsschutzrecht soll verhindern, dass gewerblich betriebene (Nachrichten-) Suchmaschinen systematisch auf die verlegerische Leistung zugreifen und sie in einer Weise nutzen, die "weit über das Verlinken hinaus geht" (so in der Begründung zum Referentenentwurf vom 27.08.2012). Gemeint sind damit vor allem Betreiber der großen Suchmaschinen wie Google News, die Inhalte aus dem Internet zusammenstellen und den Nutzern über einen Link mit Textausschnitten und Überschriften zur Verfügung stellen. An den hieraus, im Wesentlichen durch Werbeeinnahmen erzielten Gewinnen, sollen künftig die Presseverleger (und über diese anteilig auch die Urheber der Texte) beteiligt werden, indem Dienste wie Google zukünftig für diese automatisierte Form der Nutzung bezahlen müssen.

Nach dem Wortlaut des vorgeschlagenen Gesetzestextes, der von Kritikern auch mit der Bezeichnung "Lex Google" belegt worden ist, ist jedoch weiterhin nicht eindeutig festzustellen, wer außer den großen Suchmaschinenbetreibern wie Google News oder Yahoo Nachrichten noch betroffen sein könnte. Wie verhält es sich etwa mit Blogbetreibern, wenn sie auf die Inhalte anderer Websites, auf Zeitungsartikel, Buchrezensionen oder Konzertkritiken verweisen? Was gilt für RSS-Feeds, automatisierte Zusammenstellungen von Twittermeldungen oder kleinere, teilweise auf bestimmte Themenbereiche beschränkte oder sogar individualisiert einstellbare News-Aggregatoren wie Rivva, nachrichten.de oder flipboard? Wer darf auf welchen Plattformen noch in welcher Form über fremde journalistische Inhalte informieren, um seine Website informativer und attraktiver zu gestalten?

Was ist verboten, was ist weiterhin erlaubt?
Das den Presseverlegern eingeräumte Leistungsschutzrecht betrifft ausdrücklich nur das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung, soweit sie durch gewerbliche Anbieter von Suchmaschinen oder solchen Diensten, "die Inhalte in vergleichbarer Weise aufbereiten" erfolgt.

Wer lediglich einen einfachen Hyper-Link oder auch einen Deep-Link zu einem Online-Artikel setzt, macht diesen nicht öffentlich zugänglich, sondern er erleichtert es lediglich dem Internet-Nutzer, schneller zu dem bereits vom Berechtigten selbst öffentlich zugänglich gemachten Artikel zu gelangen, indem er die genaue URL angibt, unter der dieser zu finden ist. Reine Links darf daher nach wie vor jeder setzen - sogar die großen Suchmaschinenbetreiber wie Google, die der Gesetzesentwurf vor allem im Visier hat. Die Frage ist im  Wesentlichen: Wie viele Inhalte darf der Link schon vorwegnehmen?

Ganz sicher verboten ist die Übernahme von kompletten Artikeln, die bereits für sich genommen urheberrechtlich geschützt sind - dies gilt bereits nach dem bisherigen Urheberrecht. Nach der bisherigen Rechtslage ist jedoch die Wiedergabe kleinerer (und daher urheberrechtlich nicht schützbarer) Teile oder kurzer Extracts möglich, was auch weiterhin generell so bleiben soll.

Verboten werden soll nunmehr, dass dieses in einer Weise geschieht, die mit dem Dienst von Suchmaschinen vergleichbar ist. Was hat man darunter zu verstehen? Suchmaschinen durchsuchen systematisch die Inhalte des Internets und zeigen Ergebnisse entsprechend der jeweiligen Suchanfrage und in der Regel unter Angabe von Überschriften und teilweise kurzen Textauszügen an. Künftig verboten soll nun sein, zugleich mit dem Setzen von Links auf fremde Seiten automatisch solche kurzen Auszüge, sog. "Snippets" aus dem Inhalt oder auch nur dem Titel der jeweiligen Beiträge anzuzeigen - wie es Suchmaschinen und News-Aggregatoren üblicherweise tun, damit der Nutzer auf den ersten Blick erkennen kann, ob der Content, auf den hingewiesen wird, für ihn interessant ist. Die "Systematik" in der Nutzung der verlegerischen Leistungen, an die die künftige Lizenzpflicht anknüpft, scheint daher in der Verknüpfung von Link und automatisch erzeugten Textauszügen zu liegen. Weil dies dem Wortlaut der Norm aber an keiner Stelle zu entnehmen ist, ist kaum eingrenzbar, für welche Dienste und Webangebote nun schon die Einbeziehung kleinster Text-Schnipsel, die vom Urheberrecht eigentlich nicht geschützt werden, illegal sein soll?

Aus der Begründung zum vorliegenden Entwurf lässt sich zur Unterscheidung der künftig lizenzpflichtigen von einer zulässigen freien Nutzung journalistischer Inhalte bislang lediglich ein Gegenbeispiel entnehmen: Dienste, die die verlegerische Leistung "auf andere Weise" als Suchmaschinen nutzen, indem beispielsweise eine Auswahl von Presseerzeugnissen "aufgrund eigener Wertung" angezeigt werde, sollen nicht vom Anwendungsbereich des neuen Gesetzes erfasst sein. Welche Kriterien an eine Auswahl "aufgrund eigener Wertung" zu stellen sind, bleibt dabei jedoch wiederum unklar. Auch soweit Blogger, Verbände und "Unternehmen der sonstigen gewerblichen Wirtschaft" (also 'Nicht-Suchmaschinenbetreiber') nach der Entwurfsbegründung ausdrücklich nicht betroffen sind, würde beispielsweise ein Pressespiegel, den ein Unternehmen oder ein Verband auf seinen Seiten veröffentlicht, dem Wortlaut nach möglicherweise gleichwohl unter das neue Gesetz subsumierbar sein - je nachdem eben, wie die Begriffe "systematische Nutzung" auf der einen Seite und "Auswahl aufgrund eigener Wertung" auf der anderen ausgelegt werden. Auch das schneeballartige Weiterleiten und -verbeiten von Inhalten über Twitter, soweit es automatisch an alle follower erfolgt, könnte als "Aufbereitung von Inhalten in vergleichbarer Weise" wie Suchmaschinen es tun, unter die neue Gesetzesnorm subsumiert werden.

Sollte das Gesetz in seiner aktuellen Fassung in Kraft treten, wird es daher letztlich wohl den Gerichten überlassen bleiben, eindeutiger zu definieren, wer Inhalte entsprechend einer Suchmaschine aufbereitet, und wer verlegerische Leistungen "in anderer Weise" nutzt. Wem diese Rechtslage zu unsicher ist, dem ist zu empfehlen, auf seinen Seiten künftig nur noch individuell, quasi manuell zusammengetragene journalistische Inhalte ausschnittweise anzuzeigen und zu verlinken, bis sich in der Rechtsprechung konkrete Kriterien zur Lizenzpflicht herauskristallisiert haben.

© 2012 Julia Schubert, Rechtsanwältin
Kanzlei Karsten & Chudoba


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